Kultur / Medien

Süskinds "Parfum" gibts jetzt auch auf Latein
Tote Sprache? Immer mehr Liebhaber lesen und sprechen wie Cäsar und Cicero. Sie erfinden sogar neue Vokabeln.

Von Fee Isabelle Lingnau

Hamburg - "Saeculo octavo decimo in Francogallia vixit unus ex hominibus ingeniossimis et atrocissimis illus aetatis ingeniosorum atrociumque minime egenae. Huius viri historia hic narretur. Qui appellatus erat Iohannes Baptista Grenulius. Nomen eius contra ac nomina aliorum monstrorum ingeniosorum, qualia fuerunt de Sade, Saint-Just, Fouché, Bonaparte eqs., hodie in oblivione iacet, at certe causa non in eo est, quod Grenulius ab illis tenebrionibus famosioribus arrogantia, contemptu hominum, turpitudine, uno verbo, impietate, superatus sit, sed quod ingenium eiusdem studiumque unicum conclusa erant in regionem, cuius in historia non relinquuntur vestigia: in regnum volatile odorum." *

Mit diesen lateinischen Sätzen beginnt nicht etwa Ovids "Ars Amatoria" oder Caesars "De Bello Gallico", sondern Patrick Süskinds Bestseller "Das Parfum", zu Lateinisch "Fragrantia" - der Duft.

In 38 Sprachen wurde der Roman seit seinem Erscheinen 1985 schon übersetzt, jetzt auch ins Lateinische. Über den Übersetzer Nicolaus Groß weiß man wenig, nur so viel: Seit mehr als zehn Jahren lebt er als Deutschlektor in Südkorea und schreibt regelmäßig Texte für angesehene Latein-Zeitschriften. Außerdem hat er eine hoch gelobte Latein-Version des Baron Münchhausen ("Mynchusanus") verfasst.

"Nicolaus Groß ist ein hervorragender Latinist", schwärmt der Münchner Professor Wilfried Stroh, der Latein nicht nur fließend, sondern auch mit so viel Freude spricht, dass er sogar seinen Anrufbeantworter in der angeblich toten Sprache besprochen hat. An sich steht er Übersetzungen moderner Texte ins Lateinische skeptisch gegenüber. "Es gibt zwar vorzügliche Übersetzungen wie ,Max und Moritz' oder ,Winnetou'. Ich wäre allerdings eher dafür, moderne lateinische Texte zu schreiben als Übersetzungen."

"Wenn jemand Latein liebt, soll er auch die Möglichkeit haben, moderne Texte in dieser Sprache zu lesen. Romane werden ja auch in andere Sprachen übertragen", erklärt Dr. Sigrid Albert, die an der Universität im Saarland ihren Lehrstuhl hat. Sie selbst hat bereits Hermann Hesses "Unterm Rad", Erich Maria Remarques "Die Nacht von Lissabon" und die mittlerweile zum Klassiker avancierten Märchen der Brüder Grimm ins Lateinische übersetzt.

Latein wird wieder modern: Immer mehr Leute finden sich zusammen, um die antike Sprache zu sprechen. Damit man sich auch über aktuelle Themen unterhalten kann, werden lateinische Wörter für moderne Phänomene gebildet - nach den antiken Wortbildungsregeln, versteht sich. So heißt etwa E-Mail "inscripto electronica".

Damit man die Wörter, die es im klassischen Latein noch nicht gab, für die Lektüre von "Fragrantia" nicht umständlich suchen muss, hat Nicolaus Groß der Übersetzung ein "Glossarium Fragrantiae" beigegeben.

Trotzdem ist "Fragrantia" sicher nichts für ungeübte Lateiner. Aber es kann anregen, ein geübter zu werden und die Faszination dieser totgesagten Sprache zu entdecken.

  • Patricivs Süskind "Fragrantia", Musee de la Maison D'Erasme & Fvndatio Melissa, 295 Seiten, 25,- Euro.
  • erschienen am 15. September 2004 in Kultur / Medien

    zurück




    weitere Artikel zum Thema:

    * Übersetzung vom 15. September 2004 (Kultur / Medien)