Eine lateinische
Übersetzung von Jeremias Gotthelfs Novelle
„Die Schwarze Spinne“ (1842)
„Mit großer Epik
Fühlung zu halten, gleichsam die Kräfte in ihr zu baden, ist
geboten, wenn man erzählerisch Ernstes anstrebt. So las ich
Jeremias Gotthelfs „Schwarze Spinne“, die ich bewundere wie kaum
ein zweites Stück Weltliteratur“.
Thomas Mann
In einem engen,
aber freundlichen Bergtal rüstet man sich am Himmelfahrtstag zu
einer Kindstaufe: Die Natur ist in voller Blüte und die Menschen
sind in freudiger Aufregung. Beim Festessen gibt es verschiedene
Gespräche bei und nach Tisch: Über die Güte der Männer und Frauen,
über den Hausbau. Dabei bringt ein schwarzer Balken im neuen Haus
den Großvater zum Erzählen der folgenden
Geschichte:
Vor 600 Jahren
wurden die Bauern des Tales von dem Deutschordensritter Hans von
Stoffel geknechtet und ausgebeutet: Nachdem die Bauern zwei Jahre
ihre Wirtschaft vernachlässigen und dem Stoffel ein Schloss bauen
mussten, sollen sie nun im Mai einen Schattengang von 100 Buchen
errichten. In der allgemeinen Verzweiflung bietet ein Grüner Jäger
seine Hilfe an - um den Lohn eines ungetauften Kindes. Die Bauern
fliehen.
Die Arbeit am
Schattengang beginnt und steht unter einem Unstern. Als der Grüne
am dritten Tage unter Donner und Blitz noch einmal seinen Vorschlag
vorbringt, fliehen zwar die Bauern, aber Christine, eine
Lindauerin, schließt diesen Pakt eigenmächtig: Der Grüne küsst ihre
Wange und es brennt wie Feuer.
Das Teufelsweib
beruhigt die Bauern und sie stimmen ihr zu. Der Schattengang wird
mit einiger Zauberei fristgerecht vollendet. Die Bauern sind
erleichtert.
Das erste
Neugeborene wird vom beherzten Pfarrer gleich nach der Geburt
getauft, die Bauern frohlocken, aber auf Christines Wange wächst
ein stechender Fleck.
Er wächst sich zur
schwarzen Spinne aus, der Schmerz wird unerträglich und als das
nächste Kind geboren und getauft wird, gebiert die Spinne viele
kleine schwarze Spinnen, die nun ausschwärmen und das Vieh
töten.
Große Not macht
sich breit, zu alledem kommt noch der Zorn des Ritters über seine
toten Rinder hinzu. Die Bauern sinnen darauf, den Teufel zufrieden
zu stellen, eine Verschwörung gegen die nächste werdende Mutter
kommt unter der Leitung Christines
zustande.
In einer
Gewitternacht wird das dritte Kind der Mutter von Christine
entrissen und dem Teufel zugetragen. Der Pfarrer aber wittert
Unheil, eilt zum Treffplatz, ein fürchterlicher Kampf entbrennt,
dabei schrumpft Christine zur Spinne zusammen, der Teufel aber
flieht das Weihwasser, das Kind wird gerettet und getauft. Danach
stirbt es, aber auch der Pfarrer, gezeichnet von schwarzen Flecken,
wird heimgeholt.
Jetzt wütet das
Grauen im Tale. Die schwarze Spinne verschont keinen, auch nicht
die Ritter...
Die Sprachgewalt
von Gotthelfs „Schwarzer Spinne“ hat bis heute nichts von ihrer
Faszination verloren. Das Nebeneinander von Schrecken und Idylle,
von der liebenswürdigen Darstellung des Tauffestes auf dem reichen
Emmentaler Bauernhof und der grausigen Erzählung vom Wüten der
Schwarzen Spinne ist in seiner suggestiven Kraft wohl selbst in der
modernen Horrorliteratur unerreicht.
Unserer
lateinischen Übersetzung ist ein ausführliches Glossar
beigegeben.
Herausgegeben von der Stiftung Melissa, Brüssel 1998
Erstausgabe des Originals: 1842
|